Prolog
Mein Vater war Missionar und wurde 1956 in Burundi ermordet. Es war größtenteils seine eigene Schuld. Man hatte ihn aufgefordert zu verschwinden, und durch seine Weigerung brachte er den Rest der Familie ebenfalls in Lebensgefahr. Als wir in unserem weißen Missionsbungalow gefangengenommen wurden, stellte man meine Mutter, meine Schwester und mich vor die Wahl, entweder mit ihm zu sterben oder durch Aufsagen eines einfachen Spruchs unserem Glauben abzuschwören, wonach man uns gestatten würde, das Land zu verlassen. Ich war natürlich viel zu jung, um einen Glauben zu haben, und erst recht, um ihm abzuschwören, aber ich habe nicht den geringsten Zweifel, wie meine Entscheidung ausgefallen wäre. Meine Mutter dagegen war hin- und hergerissen. Sie ist eine abergläubische Frau und überzeugt von der Macht des gesprochenen Wortes, selbst wenn man nicht meint, was man sagt; sie gehört zu denen, die ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn sie erfahren, daß ein Satz in einer fremden Sprache, den sie arglos nachgeplappert haben, blasphemisch war. Sie fragt sich heute noch, ob sie nicht bis in alle Ewigkeit bestraft werden wird, weil sie damals ihrem mütterlichen Instinkt folgte und sich selber und uns rettete.
Es ist komisch, darüber jetzt nachzudenken. Vermutlich ertönte ein Schuß, der meinen Vater ins Jenseits beförderte. Ich erinnere mich nicht, ich war zu klein. Ich habe nicht die geringste Erinnerung an meinen Vater und auch nicht an Afrika. Wenn ich überhaupt an seinen Märtyrertod denke, dann mit vollkommenem Unverständnis. Und wenn ich diese groteske Begebenheit hier erwähne, dann nur deshalb, weil ich im Laufe der Jahre zu dem Schluß gekommen bin, daß sie nichts weiter als das erste – besonders absurde und bezeichnende – einer langen Reihe von Ereignissen war, bei denen das Bestreben der anderen, gute Menschen zu sein, sich zu meinem persönlichen Nachteil auswirkte und zudem aller Vernunft widersprach.