Rezensionen zu ‚Das Geld der Medici‘

Neue Bücher

NDR Kultur, 8.3.2007

Von Katja Weise

Wer waren die Medici, wie funktionierte ihre Bank und vor allem: Wie konnte der Clan – innerhalb von nur hundert Jahren – zur zunächst mächtigsten, dann ohnmächtigsten Familie von Florenz werden? Das sind die Fragen, die Tim Parks bewegen, und manch ein Leser mag sich glücklich schätzen, dass ein Romancier die Geschichte der Medici-Bank erzählt und nicht ein Wirtschaftsfachmann. Schon so ist es für volkswirtschaftlich nur mäßig Interessierte nicht immer ganz leicht, Parks durch den Dschungel der Wechselkurse, Geldgeschäfte und politischen Ränkespiele zu folgen, denn: Der Autor hat perfekt und ausgiebig recherchiert, ungefähr hundert Bücher habe er gelesen, schreibt er in einem kurzen Begleittext:

Dann kommt der Punkt, wo man eintausend Seiten mit Notizen hat, wo einem der Kopf platzt, wo man unzählige Verbindungen gesehen hat, die man für interessant hält, möglicherweise sogar eine oder zwei, die neu sind. Und dann muß man anfangen.

Florenz im 15. Jahrhundert-Künstler wie Brunelleschi, Donatello und Michelozzo prägen das Bild der Stadt. Sie erhalten Aufträge von Männern, die viel Geld ihr Eigen nennen und sich, indem sie in religiöse Kunst investieren, freikaufen. Denn Wucher gilt vor dem Kirchengesetz als eine schwere Sünde und nichts anderes betreiben diese Männer in den Augen der Kirche, indem sie Geld für Geld leihen, das heißt als Kaufleute und Bankiers arbeiten. Allerdings gibt die Kirche sich keineswegs unversöhnlich: Ablass kann gewährt werden, wenn ihre Belange finanziell unterstützt werden. So gibt beispielsweise Cosimo de Medici viel Geld für die Restaurierung eines Klosters – deutlich mehr, als er für die Gründung einer neuen Bank benötigt hätte.

Die Mönche nahmen das Geld der Medici-Bank, sie lebten mit den Bildern und beteten. Eine magische Gemeinschaft war entstanden – real, virtuell, metaphysisch. Bezahlen, beten. Wir stehen am Beginn der Renaissance. (..) Geld wird rehabilitiert.

Geld ist – und nur so und vor diesem Hintergrund lässt sich der enorme Einfluß der Medici im 15. Jahrhundert erklären – zu einem Allheilmittel geworden:

Geld macht einen Mann sichtbar
Geld lässt ihn gebildeter erscheinen
Geld verbirgt alle Sünden (..)
Geld bewahrt seine Seele im Himmel
Geld mach einen Niemand edel

So dichtet ein heute unbekannter Dichter. Die florentinische Gesellschaft befindet sich im Wandel, manch bürgerlich Geborener versucht mit Hilfe des Geldes und durch kluge Heiratspolitik in den Adel aufzusteigen. Das gilt auch für die Medici. Tim Parks geht beim Schreiben des Buches vor wie ein Maler: Zunächst gestattet er den Hintergrund: Sorgsam geht er dabei vor, setzt den Pinsel immer wieder neu an, fügt noch ein Detail hinzu, erst dann widmet er sich dem Hauptmotiv: der Familie Medici. Die Frauen spielen kaum eine Rolle, hier zählen nur Mitgift und Herkunft. Die prägenden Männergestalten in dem Tableau sind Giovanni di Bicci, der die Medici-Bank 1397 gründet, und vorausschauend enge Beziehungen zur Kirche pflegt; sein Sohn Cosimo, der die Bank zur Blüte führt und als Zeichen der errungenen Macht den Palazzo Medici erbauen lässt und schließlich dessen Enkel, Lorenzo de Medici, genannt der Prächtige. Unter Lorenzos Leitung erlebt das Bankhaus seinen endgültigen Niedergang. Doch als Dichter feiert „der Prächtige“ Erfolge. Noch heute gilt er als einer der besten des 15. Jahrhunderts. Wie sein Großvater Cosimo ist er außerdem ein begeisterter Anhänger des aufkommenden Humanismus:

Von nun an fand jede Debatte in einer neuen zona franca statt, wo die alte Welt der modernen begegnete (..) und der begeisterte Verstand frei war, sich nach Gutdünken umzutun. Kurzum, der Humanismus hatte die Tür zu dem Supermarkt der Ideen aufgestoßen, in dem wir heute leben.

Tim Parks hat ein ungeheurer kenntnisreiches Buch über die Bank der Medici geschrieben. So hoch ist der Informationsgehalt, dass man manchmal zwischendurch Atem schöpfen möchte. Durch den sachlichen, nie aber wissenschaftlichen Ton, die teilweise direkte Ansprache des Leser gelingt eine packende Darstellung der Anfänge des Bankwesens und seiner oft unrühmlichen Verquickungen mit kirchlichen und politischen Fragen. Ein Thema, das so heutig ist, dass man nur jedem die Lektüre dieses Buches empfehlen kann. Auf unterhaltsame und kluge Weise kann man unglaublich viel lernen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.